Ja. Pingyao. UNESCO-Weltkulturerbe. Altstadt mit ziemlich gut erhaltener Stadtmauer. Mu hats ja beschrieben. Wenn ich ehrlich bin, dann hat dieser Ort nicht zu mir gesprochen. Sein Zauber hat sich für mich nicht entfaltet. Egal mit wem, in welchem Tempo, zu welcher Tageszeit ich durch die Gassen zog, durch schöne Toreinfahrten in Innenhöfe linste. Für mich blieb alles stumm, die Begeisterung aus. Wenn ich sonst an historischen Orten bin, versuche ich mir vorzustellen, wie der Ort wohl zu seiner Blütezeit gewesen sein mag. Wie zu seiner Entstehung. Wie während seines Niedergangs. Wie es war mittendrin zu sein und dort zu leben. Abwechselnd nachlesen, hineinversetzen und mit anderen diskutieren, wie es gewesen sein mag. Das klappt meistens ziemlich gut, selbst wenn dieses Hineinversetzen vor allem Projektion ist. Jedenfalls macht mir Geschichte entdecken genau deshalb meistens ziemlich viel Spaß. Nicht in Pingyao. Ich schiebe es auf den starken Binnentourismus, die Vielzahl an Chines*innen, die jetzt in den großen Sommerferien in Elektrobussen, auf Elektrorollern oder zu Fuß in Scharen durch die Gassen ziehen. Ich schiebe es auf die vielen Souvenirläden und überteuerten Restaurants, auf den ganzen Kommerz, den ich - selbst Touristin - ja mitbefeuere. Was es auch gewesen sein mag, Pingyao packt mich nicht. Nicht als Ort zumindest. Aber dafür sozial - und zwar aufs wärmste und schönste.

Im gleichen Guesthouse wie wir sind nämlich auch Manu und Mia. Aus einer Begegnung aus heiterem Himmel wird - für mich - innerhalb von fünf Tagen eine Freundschaft im Zeitraffer. Wir hängen abends gemeinsam ab, gehen essen, holen uns noch jede*r ein Bier und entscheiden spontan den Ausflug nach Mianshan gemeinsam zu machen. Wir kommen schnell von Reiseroute und bisherigen Erfahrungen unterwegs zu Politik in China und persönlichen Lebensentwürfen und -wünschen. 2 Tage später treffen wir uns 600 km weiter in Xian wieder, der Stadt in Zentralchina, die über 800 Jahre lang Hauptstadt war und in deren Nähe die Terrakottaarmee steht. Wir pfeifen gemeinsam auf den überteuerten und überrannten Tourispaß und wenden uns ruhigeren und/oder günstigeren Ecken Xians zu. Z.b. dem buddhistischen Tempel, dem Streetfood im muslimischen Viertel, dem Künstlerviertel mit Kalligraphie und Jadeschmuck. Wir zerfließen in der sengenden Hitze und fliehen gemeinsam Richtung Eis und Schatten.

Ich habe gehört, auf Reisen begegnet man vielen Menschen, aber diese Begegnungen könnten immer nur eine bestimmte Tiefe erreichen. Gemeint ist in meinen Augen eher eine bestimmte Untiefe. Also Oberflächlichkeit. Ich will jetzt nicht übertrieben cheesy klingen, aber ich finde, das ist totaler Bullshit. Mag sein, dass das grundsätzlich zutrifft. Meistens vielleicht aber eben nicht immer. Mit Manu und Mia war das gemeinsam Entscheiden und Unterwegssein entspannt, konnte jede*r seins machen, um dann wieder leichtgängig zusammen zu kommen. Da waren Sichwaserzählen, Kennenlernen und Austauschen unholprig und rund, so dass es sich am Ende wie satte langjährige Freundschaft angefühlt hat. Oder jedenfalls arg gut. Nur schade schon wieder tschüss sagen zu müssen. Morgen gehts weiter Richtung Südchina.