Eine Woche sind wir schon in Kambodscha, und erleben ein Land so voll mit Gegensätzen und Kontrasten, wie wir es noch nicht auf dieser Reise hatten. Dreckig und schön, traditionell und modern, ohrenbetäubend und erholsam, mit einer sowohl grausamen als auch bunten und vielseitigen Geschichte. Aber vielleicht der Reihe nach.
Unseren Erwartungen vor allem an der Hauptstadt Phnom Penh waren vor unser Ankunft ziemlich niedrig. Entgegenkommende Reisende warnten uns vor einer dreckigen Stadt, in der man sich maximal zwei Tage aufhalten sollte. Daher die Entscheidung: nur eine Nacht hier, dann direkt in den Süden auf einer der Inseln, um Sandstrand und Palmen zu genießen. Was wir aber an nur einem Abend durch die Straßen der Stadt entdeckten, machte uns Lust auf mehr. Lebhafte Märkte, flanierende Menschen am Mekong-Ufer, Gebäude aus allen architektonischen Epochen der letzten 100 Jahre, dazu ein entspanntes Hostel, dazwischen buddhistische Tempel und königliche Großbauten. Ja, auch viel Dreck und Müll in den Straßen, aber es geht ja auch um Kontraste.
Trotzdem, nächsten Morgen Abfahrt im "VIP"-Bus gen Küste. Nach sechs Stunden Fahrt die Ansage: der Bus ist kaputt, wir können fünf Stunden auf den nächsten warten, oder selber schauen wie wir weiter kommen. Mit Hilfe eines kambodschanischen Mitreisenden ist der nächste Bus schnell organisiert, der aber daraufhin aber direkt im Megastau stecken bleibt. Ein schwerer Unfall blockiert die gesamte Straße. Unser Busfahrer sollte doch nicht etwa gewusst haben...? Also Rucksack auf, am Unfallort vorbeiwandern, und unser neuer Freund organisiert uns ein Tuktuk bis zum Fähranleger, 10 Minuten bevor die letzte Fähre des Tages abfährt. Nette Menschen, nicht so nette Menschen, Kontrast Nummer Zwei.
Sihanoukville, die Stadt des Fährhafens, zeigt uns ein weiteren Kontrast sehr eindrucksvoll. Die gesamte Stadt ist eine einzige Baustelle. Die Stadt scheint komplett in chinesischer Hand zu sein, Hotel um Hotel und Casino um Casino wird hochgezogen, gleichzeitig sind die Straßen in dem schlechtesten Zustand dem man sich denken kann. Der Marktplatz, den wir per Tuktuk durchquert haben, macht auch nicht den saubersten Eindruck. Den Lebensbedingungen der örtlichen Bevölkerung scheint der Boom noch nicht zu helfen.
Unsere Unterkunft in Koh Rong Samloem ist ebenfalls ein kleiner Kontrast in sich: wir haben uns für diese der zwei Inseln entschieden, weil sie die ruhigere sein soll, mit weniger Party, mehr Entspannung. Unsere Hostel bietet auch Entspannung und eine unglaublich schöne Umgebung, aber auch: Happy hour von 3 bis 6 Uhr, mit lustigen Spielchen und free shots direkt aus der Flasche hier und da. Außerdem: ein Geburtstagsparty zum vierten Jahrestag der Eröffnung, praktischerweise direkt an meinem Geburtstag. Auskatern am Strand ist für den nächsten Tag angesagt.
Seit vorgestern sind wir jetzt wieder in der Hauptstadt zurück, und haben den ersten Teil des größten Gegensatzes in diesem Land erlebt: die Geschichte. In den Wirren des Vietnamkriegs und nach Herrschaft einer Militärregierung, kamen 1975 die Roten Khmer an die Macht. Bei ihrem Einmarsch in die Hauptstadt noch gefeiert, war die Party schnell vorbei. Innerhalb von drei Tagen wurde die Stadt fast komplett geräumt, die Bevölkerung wurde auf das Land umgesiedelt und sollte fortan als Reisbauern arbeiten. Jeder, der nicht Bauer war, war suspekt und wurde als Feind des Volkes betrachtet. Intellektuelle, Wohlhabende, Brillenträger, Studierte, generell Großstadtbewohner mussten aufpassen, nicht direkt der Sabotage beschuldigt zu werden, was einem Todesurteil gleichkam. Davon zeugt unter anderem das Gefängnis S21 in Phnom Penh, in dem in der Regierungszeit der Khmer Rouge von etwa dreieinhalb Jahren um die 20.000 Menschen gefoltert, zu Geständnissen gezwungen und anschließend umgebracht wurden. Die Exekutionen geschahen meist außerhalb der Stadt, im sogenannten Killing Field, in dem alle, Männer, Frauen, Kinder, Alte brutal hingerichtet wurden, ohne Feuerwaffen. Patronen waren zu wertvoll. In der Gedenkstätte an jenem Killing Field steht heute eine hohe Pagode, in der die sterblichen Überreste von 11.000 Menschen aufbewahrt werden. Die Geschichten, die sich an jenen Orten zugetragen haben, sind an Grausamkeit und Traurigkeit nur schwer zu überbieten.
Den Kontrast dazu werden wir morgen kennenlernen, wenn wir in Siem Reap ankommen. Die Tempelanlagen von Angkor Wat zeugen von der Blütezeit der kambodschanischen Kultur. Wir freuen uns auf den nächsten Gegensatz.
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