Ich war Kolonialgeschichte noch nie so nah wie in Melaka. Melaka ist Küstenstadt, zwei Autostunden von Kuala Lumpur entfernt und seit 2008 bei der UNESCO als Weltkulturerbe geführt. Bei unserer Ankunft knallt uns aber erstmal ein greller Tourismuszirkus entgegen, dem man vor allem im Stadtzentrum kaum entkommen kann: Da sind des nachts die regenbogenfarben beleuchteten Brücken und Straßenzüge. Da sind des tags die Souvenirläden mit allerlei Klimbim. Und rund um die Uhr düsen die Rikschafahrer mit ihren irrebeleuchteten, irrelaut schallenden Rikschas durch die Stadt. Jede Rikscha konsequent nach bekannten Comic- und Animationsfilmen geschmückt: Von Picaccu über Spiderman bis Frozen. Ein bisschen ballaballa alles und sehr auf leichte Unterhaltung für die Wochenendausflügler*innen aus KL und Singapur zugeschnitten.
Aber ehrlich gesagt, nach kurzer Eingewöhnung hat es auch ziemlich Spaß gemacht sich in diesen LED-beleuchteten Konsumrummel plumpsen zu lassen, den älteren chinesischstämmigen Semestern beim öffentlichen Karaoke zuzuhören und den malayischen Muslima auf den Ausflugsschiffen zurückzuwinken. Aber das, was mich an Melaka fasziniert hat, ist nicht sein WorldDisney-Charme, sondern seine Geschichte. Hört sich lame an? Isses kein Stück!
Denke Zimt aus Sri Lanka und Nelken von den Molluken. Denke grüner Tee, Seide und mit blauen Drachen bemalte Keramik aus China. Denke Seefahrer und Soldaten, Händler und Missionare, Auswander*innen aus Indien, China, Arabien und Europa. In Melaka eingekeilt zwischen Regenwald und Meer, kamen sie über Jahrhunderte alle zusammen. Zum Verschnaufen, zum Ware anpreisen, verhökern und einkaufen, zum Verhandeln und Kriege führen, zum Erobern, Niederbrennen, Stechen und Herrschen.
Für 600 Jahre war Melaka in chinesischer Hand. Dann hatten malaiische Sultane für kurze Zeit das Sagen. Bevor ab etwa 1500 zuerst die Portugies*innen, dann die Niederländer*innen und bis zur Unabhängigkeit Malysias 1957 die Brit*innen die Macht übernahmen und Melaka – man muss es so gerade heraussagen – konsequent als wichtigen Handelsort und Hafen auf der Seeroute zwischen Indien und China kaputt machten.
In zweieinhalb Tagen wieseln wir in den Ruinen der von den Portugies*innen um 1500 irgendwas erbauten Kirche herum. 500 Jahre alte begehbare Geschichte, verrückt! Darin die 200-300 Jahre alten Grabsteine von niederländischen Kolonialherren, die hier fernst von ihrer Heimat Kriegswunden und Malaria erlegen sind. Wir fahren uns im Stadtmuseum im niederländischen Viertel Kolonialgeschichte aus malaysischer Perspektive rein. Wir finden den riesigen alten chinesischen Friedhof, die Überreste des alten Seehafens und die von den Briten zerstörte Bastion.
In den zweieinhalb Tagen Spurensuche wird uns klar, wie geografisch günstig Melakas Lage damals für den Handel gewesen sein muss und wie unauflöslich seine Geschichte von diversen Kolonialmächten geprägt ist.
Am Ende lassen wir uns aber lieber noch ein bisschen mit Chines*innen, Inder*innen und Malay*innen und von Karaoke, greller LED-Beleuchtung und Popgewummer der Rikschas durch das Melaka von heute tragen. Europäer*innen sehen wir dabei kaum.
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