Nach einigen Tagen am Strand, ordentlich Sonnenbrand, und einem schönen Zwischenstopp im erstaunlich vielseitigen Hafenort Newcastle, peilten wir unseren nächsten Ausflugspunkt an: das Hunter Valley, Geburtsort der australischen Weinindustrie. Der Hochglanzkatalog verspricht jede Menge gute Weine, leckeres Essen, adrette Landschaft, und ausreichend Distinktion, um sich vom Backpacker-Image loszulösen. Und der erste Halt löst auch einige der Punkt direkt ein. In der Bio-Winzerei Tambourlaine bekommen wir vom quirligen Chef-Sommelier ein kurze Führung über das Gelände, und eine Verkostung von acht ihrer 43 Weine, lernen viel über Geschmackskurven und Herkunft von Rebsorten, um auch alles direkt wieder zu vergessen, außer vielleicht die Information, dass das Hunter Valley eigentlich vom Boden her keine gute Weingegend ist, und nur der Tradition wegen dort noch Weinanbau existiert.

Nach angemessener Ausnüchterung geht es zum kleinen Örtchen Wollombi, am Rande des Valleys, das mit erstaunlich viel Geschichte aufwartet (für australische Verhältnisse). Einst Kornkammer für Sydney und die Kohlestadt Newcastle, verlor die von Verurteilten gebaute Straße Richtung Sydney immer mehr an Bedeutung, so dass heute der Ort von "Entwicklung" verschont geblieben ist, und ein kleines Museum von der bewegten Geschichte erzählen kann, ebenso wie der Friedhof mit seinen teilweise mehr als hundert Jahre alten Grabsteinen.

Zum Abschluss, bevor wir zum ausgemachten Nachtlager fahren wollen, geht es noch in die örtliche Taverne. Dort lernen wir schnell den redseligen Patrick kennen, ein leicht betrunkener Brad-Pitt-Verschnitt mit langen Dreads, und Geva, einen noch etwas betrunkeneren jungen Mann aus Israel. Etwas später gesellt sich noch Elisa aus Frankreich hinzu, und ein wir verbringen einen netten Vorabend, an dessen Ende die Frage steht: Wo übernachtet ihr eigentlich? Der öffentliche kostenlose Campingplatz im nächsten Ort wird schnell als ungeeignet tituliert, deshalb erfolgt umgehend die Einladung von Patrick, doch einfach mit auf die Olivenfarm seiner Freundin zu kommen.

Gesagt, getan. Auf einmal finden wir uns wieder auf einer Farm, mit mehr als 3.000 Olivenbäumen, einigen Schweinen, Ziegen, Gänsen, Schafen, zwei Lamas, zwei Hunden, mit Patrick, seiner Freundin Shelby, ihrer Mutter Marianne, ihren zwei Freiwilligen aus Deutschland, und mit Geva wieder, und verbringen spontan vier Nächte dort. Jeder Tag ist gefüllt mit neuen Eindrücken und Erfahrungen. Vom Einmachen der Oliven zum Verkauf im Hofladen, dem Melken von Ziegen, dem Schlachten eines Schweins, bis zum Seifenmachen mit Olivenöl oder Ziegenkäse machen, wir lernen viel Neues kennen. Viel zum den schönen Tagen tragen allerdings die beeindruckenden Menschen der Farm bei.

Patrick beispielsweise hat Teile seiner Kindheit damit verbracht, mit seinen Eltern als Dokumentarfilmer um die Welt zu reisen. Ziel war stets, lokale Kulturen und ihre Feste zu dokumentieren, und die Geschichten aus Jugoslawien oder Papua-Neuguinea oder auch Deutschland sind spannend und auch ein bisschen unglaublich. Shelby ist viel damit beschäftigt, die täglichen Dinge der Farm zu erledigen, strahlt aber dabei oft eine ansteckende Ruhe aus. Ziegenmelken, Käse machen, schlachten, Seife machen, alles hat sie sich selbst beigebracht. Geva war selbst vier Jahre am Reisen, bevor er wieder nach Israel zurückgekehrt ist, um dort eine Bio-Gemüsefarm zu gründen, die aber nicht richtig laufen sollte. Also wurde kurzerhand wieder das Zelt gepackt und seit einem halben Jahr reist er wieder um die Welt. Elisa hingegen wohnt eigentlich mit ihrem Freund im Süden Frankreich in einer selbstgebauten Jurte, ist aber jetzt für ein halbes Jahr mit ihrer brasilianischen Flöte unterwegs und finanziert sich die Reise mit Straßenmusik oder als Musikerin in Cafés und Restaurants.

Und zwischen all den Weltenbummlern, Heimschlachtern, Straßenmusikern, Ökobauern, Seifenmachern und Lebenskünstlern kommen wir uns mit unserem Edelvan und unserer Weinverkostung auf einmal doch sehr spießig vor. Schön, dass wir trotzdem dabei sein durften.