Auch wenn ich seit 14,5 Jahren Vegetarierin bin, habe ich nicht nein gesagt als ich vor ein paar Tagen die Chance hatte das erste Mal bei einer Schweinsschlachtung dabei zu sein. Überhaupt bei irgendeiner Schlachtung. Hier ist sie aus meinen Augen:
Mu und ich sehen den Pickup schon von weitem. Und wie er näher kommt, merken wir: vorn auf der Motorhaube sitzt Shelby die Farmerin und neben ihr auf der Motorhaube liegt ein totes Ferkel. Gestern haben wir es noch übern Acker rennen sehen. Jetzt läuft ein Rinnsal aus Blut aus seinem schlaffen Körper. Es läuft über den weißen Lack und den silbernen Kühlergrill. Brachial sieht es für mich aus. Als hätte es einen Wildunfall gegeben.
Shelby hatte uns schon mehrfach angeboten, ob wir bei der Schweinsschlachtung dabei sein wollen und jetzt ist es soweit. Sie und Patchie, ihr Freund, haben dem Ferkel gerade direkt auf dem Feld erst mit einem Hammer eins übergebraten und es dann mit einem Stich ins Herz erlegt. Ich starre etwas ungläubig auf das Ferkel und warte darauf, dass es gleich wieder aufspringt. Aber da springt definitiv nichts mehr. Stattdessen bugsieren Shelby und Patchie es in eine Wanne heißen Wassers unter freiem Himmel. Sie arbeiten schnell und konzentriert. Beide barfuß, beide mit ihren langen Dreads. Schon zerren sie das Schwein auf den beistehenden Stahltisch. "All hands on deck!" ruft Shelby, alle sollen anpacken, um das überbrühte Schwein zu häuten. Mu und ich zögern kurz. Ich frage mich noch, wie gut das wohl mit meinem Vegetariersein vereinbar ist, dann packe ich auch mit an. Ich spüre die struppige Schweinshaut mit ihren vereinzelten Borsten und reiße sie in Fetzen herunter. Shelby pellt sie vom Gesicht des Schweins, Mu vom Rücken, ich vom Bauch. Patchie schält sie wie Strumpfhosen von den Beinen. Dann schneidet er das schwarze verdreckte Horn von den Paarhufen, ein stumpfes Klicken jedes Mal und zum Vorschein kommt weißgräulich und blutig das frische Horn. Ich muss wegschauen. Too much.
Schon hängt das Schwein kopfüber an zwei Schlachterhaken. Jeder bekommt ein Messer und zu viert rasieren wir die letzten Borsten vom Schweinekörper, spülen ihn immer wieder mit Wasser. Die Haut ist jetzt ganz weiß und glatt und warm - eine Mischung aus Restkörperwärme und dem heißen Bad. Sie kommt mir sehr menschenähnlich vor, die Haut. Patchie verschwindet, um für alle Tee zu kochen. Aber mir ist nicht nach gemütlich Tee trinken. Absolut nicht. Ich habe die Hände voll Schweineborsten, die Messerklingen voll Blut.
Ich schiebe den eigenartigen Gefühlscocktail aus Schreck und Ekel, Faszination und Überforderung beiseite und schalte in den Biologiemodus, d.h. ich fokussiere mich wie im Studium damals für den Moment nur auf die Neugier für die Anatomie des Schweins. Shelby schneidet Anus und Scheide des Schweins aus, dann den Bauch des Tiers auf. Der pralle Darm quillt bläulich hervor, dann tauchen auch Leber und Galle, Magen, Lunge und Herz auf. Während Shelby noch die Nieren herausnimmt und das Tier von innen mit einem Wasserschlauch auswäscht, leckt Magnus der Hofhund das Blut aus einer kleinen Pfütze. Shelby verpasst dem leeren Schweinebauch ein Küsschen und bedankt sich für das Fleisch.
Und das war's schon. Fertig ist das Spanferkel. 28 Kilo Fleisch verschwinden in der Tiefkühltruhe. Patchie und Shelby schlendern derweil, als hätten sie das Hauptlos gezogen, mit den Innereien Richtung Küche. Die Schlachtung gab's auf nüchternen Magen und jetzt freuen sich beide auf ein besonderes Frühstück: frisch gebratene Nieren, Leber und Herz mit Zwiebeln, Brot und selbstgemachtem Ziegenkäse.
An meinem Vegetarismus hat sich derweil nichts geändert.
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