Nach dem visuellen und sozialen Dauerfeuer Moskaus war Kazan eine willkommene Abwechslung. Die Hauptstadt Tatarstans ist mit etwas mehr als einer Million Einwohnern einer der größeren Stadt Russland, aber sie lässt es sich zumindest in ihrer Innenstadt nicht anmerken. Die Tartaren waren die erste größere Eroberung des Russischen Reiches im 16. Jahrhundert (zu dessen Anlass übrigens die Basilius-Kathedrale am Roten Platz gebaut wurde), und heute hat Tatarstan weitgehende Autonomierechte. Neben Russisch ist Tartarisch zweite Amtssprache, dementsprechend kommen die Ansagen in der neu gebauten U-Bahn in drei Sprachen. Wenn schließlich die englische Stimme vor den schließenden Türen warnt, ist der Zug meist schon losgefahren.
Herausstechendes Tourismusziel in Kazan ist der Kreml (ja, es gibt mehr als einen). Da die Tartaren mehrheitlich muslimisch sind, und die Religionsausübung in den 90ern wieder möglich wurde, gibt es in dem Kreml neben den üblichen Bauten und Kathedralen der letzten Jahrhunderte eine neu gebaute Moschee, die sich architektonisch grob an einem Vorgänger orientieren soll, die an selber Stelle von den Russen vor 500 Jahren dem Erdboden gleichgemacht wurde.
Neu gestaltet wurde ebenso eine Flaniermeile, vom Kreml den Fluss entlang, mit allerlei Möglichkeiten des Zeitvertreibs, wie Spielplätze, Tischtennisplatten, Fitnessgeräte, kleine Cafés, Restaurants, Eisstände, und so weiter. Auf der anderen Uferseite ist das Stadion sichtbar, in dem die deutsche Nationalmannschaft während der Fussball-WM ein Gruppenspiel hatte. Viel in der Stadt wirkt herausgeputzt, und der Verdacht liegt nahe, dass die WM daran einen großen Anteil hatte.
Vom Kreml in die Stadt hinein führt eine Fußgängerzone, die am Wochenende reich gefüllt ist mit Menschen, die gegen kleinen Taler lustige Selfiemöglichkeiten bieten. Neben dem Esel aus Shrek, Deadpool oder den Transformers sind auch die dekorierten weißen Tauben und vor allem der kleine Affe mit Hose und Hemd der Knaller für Groß und Klein. Die restlichen Souvenirläden an der Straße runden das Angebot ab. Die eigentlichen Geschäfte befinden sich in den drei oder vier Malls, die sich an das Ende der Fußgängerzone anschließen.
Außerdem hat Kazan dann natürlich auch eher monumentale Sowjetarchitektur zu bieten. Der UFO-gleiche Zirkus, daneben das Stadion von Rubin Kazan, das Regierungsviertel mit teils französisch anmutenden Großbauten, neuen Glaskästen und alten Betonpalästen, und zu guter letzt die große Springbrunnenanlage am Binnensee runden das Ensemble ab.
Vielleicht wegen dieser Fülle fühlte sich Kazan allerdings niemals für uns überfüllt an, so dass wir gut erholt in unsere nächste Etappe gehen konnten: 2 Tage Bahnfahrt gen Osten.
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