In der Mongolei, die flächenmäßig viermal so groß ist wie Deutschland, lebt die Hälfte der Bevölkerung in der Hauptstadt Ulaanbaatar. 1,5 Millionen Stadt und angeblich kälteste Hauptstadt der Welt, mit durchschnittlich -2°C. Davon ist momentan aber nicht viel zu merken. Seit zwei Wochen sind wir hier, in Ulaanbaatar und es ist Sommer. Hochsommer. Wenn die Sonne scheint, werden es gerne staubtrockene 35 °C. Und kaum Schatten. Kaum Grün. Die Sonne ballert auf die kargen Plätze, auf die Glasstahlfassaden der neuhochgezogenen Hochhäuser, auf die vielspurigen Staßen. Ulanbaatar wächst. Und zwar wie verrückt, denn an den Rändern wird gebaut, was das Zeug hält.

Auf den Straßen fast ausschließlich japanische Autos, genauer gesagt fast ausschließlich Toyota Prius. Also Secondhand-Hybridautos sind sie billig aus Japan zu haben. Sie sollen einerseirs das Smogproblem Ulaanbaatars im Winter drosseln helfen und andererseits Japan die Frage abnehmen, wie und wo es die Lithiumbatterien entsorgen soll, sobald die Autos mal Schrott sind.
Zwischen 8 Uhr morgens und 8 Uhr abends kommt mir der Verkehr irrsinnig vor. An vielen Kreuzungen versuchen gleichzeitig Ampeln und Verkehrspolizisten der endlosen Blechlawine Herr zu werden. Öfter mal knallts. Vermutlich auch deshalb, weil sich der mongolische Rechtsverkehr mit für den Linksverkehr ausgelegten japanischen Autos ziemlich schlecht einsehen lässt. Vielleicht aber auch deshalb, weil Ampelfarben hier kaum jemanden interessieren.

Wir haben viel von dem berüchtigten Wintersmog in der Stadt gehört. Dann, wenn draußen -35 °C sind, schwillt die Einwohner*innenzahl noch mal an. Gerade in den Stadtteilen mit Jurten wird wohl viel mit billiger Kohle, Plastik und allem, was sich irgendwie verbrennen lässt, geheizt, um.gegen die Kälte anzukommen. Im Sommer ist davon aber nichts zu merken. Wir hören immer wieder von Locals und Expats: Ihr seid zur besten Jahreszeit in der Mongolei und in Ulaanbaatar (kurz: UB)! Wir stürzen uns drauf, um dieser Stadt nahe zu kommen. Wir laufen kilometerweit an Hauptstraßen entlang, über riesige Plätze, zwischen Hochhäusern hindurch und über Hinterhöfe von Plattenbausiedlungen, bis an den Stadtrand und darüber hinaus in die anliegenden Berge. Wir probieren uns durch die Restaurants und Bars und freuen uns nen Keks über italienisches, indisches und veganes Essen. Über frischen Salat und Smoothies aus echtem Obst. Museen, Tempel, Klöster, Kino, Parks etc. Wir lassen nichts aus. Auch nicht den großen Markt, größer und besser sortiert als jede Shoppingmall, mit sehr vielen gefakten Markenprodukten und jedem Zubehör fürs Leben in der Jurte. Wir suchen verzweifelt nach Grün und Ruhe und finden Ansätze davon in Form von Grünstreifen zwischen vierspurigen Hauptstraßen und einem Park direkt hinterm Regierungsgebäude, dessen Öffnungszeiten aber einem undurchsichtigen Schema folgen.

Es heißt, UB sei nicht schön. Es heißt, UB polarisiere, es gefalle oder eben nicht. Nichts dazwischen. Wie es eben von vielen Großstädten heißt. Ich bin ehrlich gesagt unentschlossen, also dazwischen. Der Lärm, die Hitze und die Abgase des Verkehrs sind definitiv ein Downer. Die zusätzlich pfeifenden Verkehrspolizisten in ihrem lebensmüden Job mitten auf den riesigen Kreuzungen machen es nicht besser. Die Vielfalt an Bars und Restaurants, an Shops und die in Blickachsen immer wieder auftauchenden Berge ringsum ein großes Plus. Auch die Freundlichkeit vieler Mongol*innen und die Kids hier. Außerdem ist UB im Sommer auch Durchgangstor oder besser Nadelöhr für Langzeit-Traveller zwischen Russland/Europa, Ost-/Südostasien und Australien/Neuseeland. Wir treffen Freund*innen aus Russland wieder, lernen neue Traveller, Expats und Locals kennen. Kochen zusammen, machen Filmabende, landen in Bars. Ein weiteres großes Plus. Trotzdem: Meine große Liebe wird UB eher nicht. Dankbar bin ich trotzdem hier ein paar Tage in aller Ruhe abhängen zu können, abends mit all den Familien auf dem großen Platz zu sein und die Sommerabende zu genießen, mongolischem Buddhismus und mongolischer Geschichte auf den Leim zu gehen, genauso wie mal wieder vollwertiges vegetarisches Essen zu haben. Und das gleich an mehreren Tagen hintereinander. Hammer!