Seit Wochen wissen wir, dass Anfang/Mitte Juli in der ganzen Mongolei ein großes mehrtägiges Fest ansteht, genannt Naadam. Es steht für die drei mongolischen Sportarten: Pferderennen, Ringen und Bogenschießen. In der Hauptstadt, in sämtlichen anderen Städten und vielen Dörfern wird dieses Fest gefeiert. Wir haben gehört, man solle sich Naadam auf keinen Fall entgehen lassen. Wir haben gehört, in Ulaanbaatar ist es schon wochenlang im Voraus schwierig Tickets dafür zu kriegen und vieles im Land stehe still in diesen Tagen.

Wir sind in Kharkhorin gelandet, 300 km westlich von Ulaanbaatar. Hier soll Naadam weniger überlaufen sein, familiärer ausfallen. Und heute war es endlich soweit: Um 7.50 Uhr fiel der Startschuss für das erste von mehreren Pferderennen. Die Strecke: 25 km. Die Pferde: Extrem schlank, fast schon unterernährt sehen sie aus. Sehnig, muskulös, ohne Hufeisen und zumeist auch ohne Sattel. Wäre nur zuviel Gewicht. Die Reiter: Jungen und Mädchen zwischen 7 und ca. 13 Jahren mit Fahrradhelmen und Protektoren an jedem erdenklichen Gelenk. Gegen 9.30 Uhr stehen wir am Zieleinlauf. Lange passiert nichts. Dann taucht am Horizont eine Staubwolke auf, die schnell größer wird und näher kommt und schon galoppieren die ersten schweißgetränkten Tiere mit ihren jungen Reitern zwischen den jubelnden Zuschauer*innen hindurch.

Danach startet die Eröffnungszeremonie für das gesamte Festival. In den letzten Tagen wurde auf der Wiese am Stadtrand ein großer Kreis aus bunten Zelten und kleinen Tribünen errichtet. Hier sitzen das Publikum und wir jetzt und warten bei Käsehappen, vergorener Stutenmilch (Airag) und jeder Menge Bonbons auf den Auftakt der Zeremonie. Von der Oma bis zum Kleinkind: Fast alle haben sich aufs schönste zurecht gemacht. Egal ob traditionell oder modern.

Und dann ist es soweit: Es werden Fahnen gehisst, Kinder, Teenager und Frauen in den schillerndsten Kostümen führen Tänze auf, Männer singen, Mönche chanten. Auch Nationalhymne, Kehlkopfgesang und Pferdegeige werden ausgespackt. Im Publikum besuchen sich die Männer derweil untereinander und tauschen zur Begrüßung kleine kunstvolle Tabakfläschen aus, an denen respektvoll geschnüffelt wird, bevor die Fläschen wieder zu ihrem Besitzer zurückkehren.

Nach der Eröffnungszeremonie stapfen die Ringer in ihren schweren hohen Lederstiefeln in die Arena. Gleichzeitig beginnt ein paar Meter weiter das Bogenschießen, an dem auch Frauen teilnehmen und ein weiteres Pferderennen beginnt. Ringsum auf der Wiese entfaltet sich derweil ein gigantisches Volksfest mit Hüpfburg, Trampolin und Verkaufsständen. Dazu jede Menge Jurten, in denen am laufenden Band traditionelles Naadam-Fingerfood zubereitet wird: Mit knorpeligfettigem Fleisch gefüllte und dann frittierte Teigtaschen. Ich bestelle sie trotz allem und freue mich über die krosse Teighülle.

Unter unerbittlicher Sonne stapfen wir die nächsten Stunden gebannt zwischen Bogenschütz*innen, Ringern und Reitern hin und her. Versuchen die Regeln zu verstehen, fragen nach, feuern an, jubeln mit. Es fühlt sich schön an, hier dabei sein zu können. Derbe sonnenverballert machen wir uns am späten Nachmittag davon.