Darwin – Startpunkt ins Outback
Gepostet von Judith
am 08.12.19
(08.12.19 Ortszeit)
(Tag 294)
in Australien
city
Als wir in Darwin landen, ist es noch dunkel. Erst als wir mit unserer sündhaft teuren heißen Schokolade (6,50 AUD, über 4€!!), die wir uns aus genau diesem Grund teilen, Richtung Darwin Innenstadt tapern, färbt sich der Himmel apricotrot. Schneeweiße Kakadus fliegen über unseren Köpfen. Ibise staksen auf der Wiese neben dem Highway. Es dauert dann nicht mehr lang bis die ersten Sonnenstrahlen durch die verbrannten Bäume neben der Straße fallen und wir merken, fuck, wir schwitzen jetzt schon! Wie wird es erst zur Mittagszeit? Darwin liegt noch in den Tropen, kurz darunter beginnt das Outback mit seinem ariden Klima. In Brisbane ist gerade Hitzewelle, um Sydney gibt es gewaltige Buschbrände. Nicht die intuitiv beste Zeit, um einmal per Auto diesen Kontinent zu durchqueren. Aber genau das haben wir vor. Hier in Darwin haben wir die letzten drei Tage versucht uns möglichst schnell von den Gewohnheiten Südostasiens zu verabschieden, möglichst schnell im australischen Vibe anzukommen, in Darwin einzutauchen und uns auf den bevorstehenden Trip vorzubereiten. Hier ein paar Einblicke dazu:
WIE ES SICH ANFÜHLT WIEDER IN EINEM "WESTLICHEN" LAND ZU SEIN
Uns fällt sofort auf, wie wahnsinnig gepflegt, sauber und frisch gemäht Darwin auf uns wirkt. Beruhigend, vertraut irgendwie aber auch: verlassen. Wo sind nur alle? Ab und zu fährt ein Kind mit dem Rad Richtung Schule an uns vorbei. Irgendwo auf einem der Balkone sitzt eine beleibte Frau und raucht. Das wars. Niemand sonst. Keines der Häuser hat Algen, Moos oder Schimmel angesetzt. Die Luft ist frisch, nicht muffig. Es riecht nicht nach Müll, wir sehen keine Ratten, keine Makaken. Aber: Es gibt auch keine Streetfood- und Draußenkultur. Stattdessen ein großer Supermarkt und Bars, die Burger und Steak zu wahnwitzigen Preisen anbieten (39 AUD für ein Steak mit Pommes und Salat!!?). Bei den Supermarktpreisen fallen uns ebenfalls halb die Augen raus und definitiv die Kinnladen runter. Irgendwem sind da massiv die Preise ausgerutscht. Wie kann eine einzelne Toastscheibe mit Peanutbutter drauf 8 AUD kosten?? Haben wir während der Reise jede Relation für Preis-Leistungs-Verhältnisse verloren oder ist das hier wirklich absurd ohne Ende?
Wir nehmen auch wahr, dass die Menschen um uns herum wieder so stämmig oder auch stämmiger sind als wir. Die letzten drei Monate kamen wir uns gegenüber den oftmals kleineren und schmaleren Chines*innen und diversen Südostasiat*innen oft wie grobschlächtige Yetis vor. Auch die Kleidung ist anders. Vertraut wie in Deutschland. Plötzlich gibt es wieder Hotpants en masse um uns herum, bauchfreie Oberteile, Muskelshirts mit hüfttiefen Armausschnitten. Der - pauschalisierend gesprochen - weitaus dezentere Kleidungsstil, an dessen Anblick wir uns in den letzten Monaten von China bis Malaysia gewöhnt und auch versucht haben anzupassen, ist weggewischt.
Und dann ist da noch die Ausgehkultur. Als wir abends durch die Barmeile Darwins schlendern, fällt uns das Kreischen und Brüllen der Leute auf. Alkohol. In den letzten Wochen haben wir selten angetrunkene Locals wahrgenommen. Es wurde lautstark auf die Straße gerotzt. Einfach so. Das schon. Vielleicht auch lauthals beim Essen geschmatzt oder sich lautstark unterhalten. All das hat aber nichts mit Alkohol zu tun und all das treffen wir hier in Darwin nicht mehr an. Dafür dieses enthemmte, halb hysterische Geschrei der Party-People. So wirkt es jedenfalls auf mich jetzt. Grotesk irgendwie. Leise mischen wir uns darunter und trinken zwei drei Bier mit. Zum wieder Warmwerden.
Es sitzt auch niemand mehr auf dem Fußboden, sondern ordentlich auf eigens dafür aufgestellten Bänken. Es zieht deshalb auch niemand mehr seine Schuhe aus, bevor er öffentliche Räume wie z.B. Waschsalons betritt. Geld wird nicht mehr mit beiden Händen und Blickkontakt übergeben, dafür bedankt man sich beim Aussteigen beim Busfahrer. Alten Menschen wird nicht mehr Respekt entgegengebracht als allen anderen. Vieles wirkt ein bisschen wie zu Hause und doch fern nach den letzten Monaten.
DARWIN - SPANNUNGSGELADENER ERSTER EINDRUCK
Darwin ist die Hauptstadt des Northern Territory und hat 150.000 Einwohner*innen. Darwin wirkt verschlafen auf mich. Und noch was: Hier ist der Anteil an Aboriginals in der Bevölkerung deutlich höher als in anderen Teilen Australiens. Hier, nach Nordaustralien sind lange keine Europäer*innen gekommen. Hier konnten die Aboriginals noch lange leben, wie sie wollten. Aber irgendwas passt für mich nicht richtig an dem Bild, das Darwin mit seinen indigenen Einwohner*innen auf mich vermittelt. Fast alle tragen Kleidung, die ich als maximal Secondhand einstufen würde. Aber gut, das kann auch kulturell bedingt sein. Fest steht aber die einen streunen um die Mülleimer und schauen regelmäßig nach Zigarettenstummeln. Andere hauen Passant*innen nach Zigaretten an, hängen des nachts in der Fußgängerzone, wo sie sich betrinken und gegenseitig anbrüllen oder sitzen in der Straße mit den Bars und betteln um Geld. Wir lesen ein bisschen nach, die Integrationsgeschichte der Aboriginals in die mehrheitlich weiße ehemals europäische Gesellschaft liest sich für mich wie eine Perlenkette an Fehlinitiativen. Bestimmt wird heute auch viel richtig gemacht. Da ist z.B. die North Australian Aboriginal Justice Agency, eine NGO, die Aboriginals rechtlichen Beistand in Gerichtsverfahren bietet. Wir sind gerade erst angekommen. Wir wissen nichts und haben gerad erst angefangen uns damit auseinanderzusetzen. Wir finden aber auch sehr schnell Informationen, wie z.B. dass die Lebenserwartung der Aboriginals deutlich unter der der restlichen australischen Bevölkerung liegt. Dass es Probleme mit Alkoholismus und sexuellen Übergriffen zwischen Aboriginals gibt und ein überdurchschnittlich großer Anteil Indigener in australischen Gefängnissen sitzt. Und daraus bildet sich für mich ein spannungsgeladenes Bild von Darwin: Einerseits gepflegte moderne Kleinstadt direkt am Meer, andererseits scheinbar ein paar gesellschaftliche Risse in der heilen Fassade.
VORBEREITUNGEN FÜR DEN AUFBRUCH INS OUTBACK
Knapp 1500 km sind es von Darwin nach Alice Springs. Von den Tropen ins Steppenklima. Von 34 zu 42 Grad Tageshöchsttemperaturen. Wir haben Respekt vor diesem Trip. Und wir freuen uns auch darauf wie Bolle. Wir sind die totalen Newbies, was das Outback angeht und wir betreten es in der heißesten Zeit (Dez/Jan). Deswegen haben wir uns in den letzten Tagen viel Zeit genommen, um uns darauf vorzubereiten. Unser Leihwagen, ein Toyota Landcruiser, hat Allradantrieb und einen 180 Liter Tank. Wir haben also ein robustes Auto mit einer extremen Reichweite. Wir haben die Straßenverhältnisse geprüft (Asphalt) und wissen, wo die Tankstellen sind. Wir haben gelesen, wie man sich verhalten soll, wenn man liegen bleibt („Hydrate like it‘s your job!“). Wir haben Sonnenhut, Sonnenbrille und Sonnencreme. Wir haben uns über giftige und gefährliche Tiere informiert und die giftigsten Spinnenarten als Bildschirmhintergrund auf‘m Handy eingerichtet. Wir haben die Route in Tagesetappen recht genau geplant und eine App installiert, die uns sagt, wo gerade Buschbrände sind. Wir werden massiv viel Wasser und Energyfood dabei haben und uns dreimal überlegen, ob wir wirklich irgendwo baden wollen, wo es hier sowohl Süß- als auch Salzwasserkrokodile gibt. Aber bei alldem: Wir freuen uns über das wahnsinnige Glück diesen Roadtrip machen zu können und auf morgen Früh, wenn‘s endlich losgeht.