Fast ein Uhr nachts gleich. Und quite some beer intus. Genau 48 h in Chisinau der Hauptstadt von Moldawien werden wir verbracht haben, wenn wir morgen früh um 9 Uhr den Bus Richtung Odessa in der Ukraine nehmen.

Der Nachtzug hierher war schon ein Erlebnis. Gebaut in der DDR! Ausgestattet mit Samowar und goldenen Gardinen. Hochgeheizt auf saunaartige gefühlte 28 Grad. Die Vierbettkabine teilten wir uns mit einer fünfköpfigen Familie. Drei Kleinkinder und die Eltern auf zwei Liegen, Mu und ich auf den anderen beiden. Zwischendurch um vier Uhr morgens Grenzkontrollen und Gleiswechsel von europäischer auf russische Breite.

Das Wochenende, dass wir hier in der 500.000 Einwohner- und Hauptstadt verbracht haben, war nicht irgendeins, sondern das orthodoxe Osterwochenende. Wir hatten große Hoffnungen auf traditionelle Festivitäten. Stattdessen war die Stadt leergefegt und ruhiggestellt, wie eine verschlafene Kleinstadt an einem lauen Sonntagnachmittag iwo in Deutschland. Immerhin: Die Parks waren einigermaßen voll mit grillenden Familien. Und einen Osterumzug haben wir erlebt auf einer vierspurigen Straße, mit Priester vorne weg, jeder Menge Ikonenträgern hinterher und feingekleideter Glaubensgemeinschaft dazu.

Ansonsten haben wir Chisinau von einer sehr ruhigen Seite erlebt. Sämtliche Restaurants und Läden hatten geschlossen. Trotzdem waren die zwei Tage ein buntes Potpourri an Reiseerlebnis zwischen neuen Entdeckungen, Enthusiasmus, Unsicherheit und Frustration.

In der allgemeinen Öffentlichkeit haben wir uns beide viel beobachtet und beäugt gefühlt als 'the other'. Die die hier offensichtlich nicht her gehören. Das kann ziemlich anstrengend werden, weil man anscheinend ständig Aufmerksamkeit erregt, ohne zu wissen warum. Hinzu kommt die Sprache. Alle sprechen hier anscheinend Russisch oder rlRumänisch (oder beides) aber wenig Englisch und vielen fällt alles aus dem Gesicht oder geht sofort jegliche Geduld und Freundlichkeit flöten, wenn man sie auf Englisch um etwas bittet oder nach etwas fragt. Umso besser für mich, um Russisch zu üben. Immerhin konnte ich mit meinen ersten Kenntnissen heute erfolgreich meine erste Flasche Wasser kaufen.:) Und mehr Motivation tanken, um in den kommenden Wochen in der Ukraine und Russland noch intensiver Russisch zu lernen und zu üben.

Parallel dazu haben wir ein wunderbares Hostel mit sehr netten Leuten aus Frankreich, Portugal, Chile, Ukraine, Moldawien, USA und Deutschland erwischt und schöne Stunden bei gemeinsamem Bier und Ukelele verbracht.

Über lange Spaziergänge durch die Stadt, Gespräche im Hostel, Wikipedia, Google und Deutschlandfunk haben wir versucht der Stadt ein Stück näher zu kommen. Versucht etwas über das zugewachsene Stadion aus Sowjetzeiten, den großen jüdischen Friedhof herauszufinden, genauso wie über das innerstädtische Gefängnis oder die aktuelle politische Situation in Moldawien etc.

Mich persönlich hat einiges an meine verschwommenen Kindheitserinnerungen aus DDR-Zeiten erinnert. Nur Details. Wie z.B., dass Frauen hier manchmal Kopftuch tragen - genau wie Mama oder wir als Kinder früher - und die knappen Jacken und Bügelfaltenstoffhosen bei älteren Herren genau wie bei Opa früher. Dass die Blumenrabatten gepflegt sind wie verrückt, während es an Häusern, Gehwegen und Straßen häufig bröckelt. Und, woran ich mich zwar nicht erinnern kann aber was ich vom Hörensagen kenne: Die niedrigen Preise. Mir ist etwas von 200 Eur durchschnittlichem Monatseinkommen zu Ohren gekommen. Eine Busfahrt kostet 10 Cent.

48 h sind zu kurz, um das alles zu durchdringen , sich wirklich ein Bild zu machen, geschweige denn irgendwas vom Land wirklich zu verstehen. Es kann nur ein Spotlight sein. Ein erster Einblick. Ich finde aber dennoch, die - in meinen Augen - durchweg negativ konnotierten Beiträge des dlf zu Chisinau werden der Stadt nicht gerecht.