Wie ist das eigentlich als Paar zu reisen?
Gepostet von Judith
am 10.05.19
(10.05.19 Ortszeit)
(Tag 82)
in Ukraine
_Ziemlich schön und auch nervig. Immer im Wechsel. Oder auch gleichzeitig. Meistens schön.
_Wir verbringen soviel Zeit zusammen wie noch nie.
_Wir haben gemeinsam für diese Reise gespart und wir haben sie gemeinsam ein Jahr lang vorbereitet.
_Wir haben gemeinsam Lüneburg und unseren Alltag dort losgelassen und sind tapsig in diese Reise gestakst.
_Wir sind gemeinsam nervös, wenn wir an Grenzen kommen.
_Wir entdecken gemeinsam Länder, in denen wir beide noch nie waren, samt Menschen, Küche, Verkehr, Wirtschaft, Politik, Geschichte, Sprache etc. und freuen uns en Ast darüber.
_Wir diskutieren über alles Mögliche, wägen ab. Warum willst du unbedingt nach Wolgograd? Hat was von Katastrophentourismus! Wie funktioniert eigentlich das orthodoxe Christentum? Und was bedeutet der Konflikt in der Ostukraine und auf der Krim im Sinne von Machtpolitik zwischen EU und Russland? Kannst du diesmal bestellen, ich hab grad keine Kraft/Lust auf HandFußKommunikation etc.
_Wir probieren gemeinsam Neues aus, wie Schlafsaal in Hostels oder Couchsurfing.
_Wir passen aufeinander auf, wenn es um unsere Sicherheit und Gesundheit geht. Lachen uns dafür gegenseitig aus und wissen doch, dass wir aufeinander angewiesen sind. Zusammen reisen heißt, da sein, wenn der andere schlappmacht - in welcher Form auch immer. Hungerast. Durchfall. Blasenentzündung. Eifersucht. Überreizung. Müdigkeit. Gemeinsam reisen heißt für uns, jeweils das Tempo auszuloten, das beiden guttut. Und das ist ständig woanders, je nach Land und eigenem Energie- und Kräftehaushalt.
_Wir gehen uns auch mal hart auf die Nerven, wenn einer von uns seine 5 Minuten hat oder wir beide hangry sind oder wir lange wirklich nur zu zweit unterwegs waren. Wir spielen deshalb mit Nähe und Distanz, indem wir wechseln zwischen Schlafsälen mit bis zu 10 weiteren Reisenden und Austausch mit anderen Reisenden und Locals einerseits und Zweisamkeit in Hostels, Hotels und Ferienwohnungen andererseits. Wir lassen den anderen seins machen, stellen aber das Handy laut und schauen ab und zu bei Google Maps, wo der andere gerade ist.
_Hendrick muss mich bremsen, wenn mein Wanderenthusiasmus mit mir durchgeht und ich noch den nächsten Gipfel mitnehmen will, obwohl Regen heranzieht und wir nicht genug zu essen oder zu trinken dabeihaben - überspitzt gesagt. Andersrum versuche ich ihn mitzureißen, um doch noch diese Kirche oder jenen Park anzuschauen, bevor wir nach Hause (dem jeweiligen) zuppeln.
_Wir haben auch sowas wie Aufgabenteilung entwickelt: Hendrick ist rasend schnell am online recherchieren, wenn wir kurzerhand eine Unterkunft brauchen, herausfinden wollen, welches die richtige Ubahn für uns ist oder wo der nächste Geldautomat ist, mit dem wir die offene Rechnung beim Busfahrer begleichen können. Ich versuche mich mit meinen basalen Russischkenntnissen einzubringen oder generell Leute um Rat zu fragen, wenn wir selbst nicht weiterkommen.
_Die Reise macht uns manisch, was miteinander teilen angeht. Das Schöne und Blöde. Besser vermag ichs gerad nicht zu sagen.